Der "DD-Austausch" mit Halle
Deutsch-Deutscher Austausch in Kl. 10
Ein Austausch zwischen zwei deutschen Schulen scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich. Schließlich kann es bei dieser Schülerbegegnung ganz und gar nicht darum gehen, eine Fremdsprache anzuwenden oder ein anderes Land näher kennen zu lernen. Ganz im Gegenteil, während dieses Austauschs wird normalerweise nur deutsch gesprochen und ganz fremde Länder gibt es auch nicht zu entdecken. Der „DD“-Austausch begibt sich auf Spurensuche in unserem Heimatland Deutschland.
Seit mittlerweile 19 Jahren findet der deutsch-deutsche Austausch nun schon traditionsgemäß zwischen dem Elisabeth-Gymnasium in Halle und dem Robert-Bosch-Gymnasium in Gerlingen statt. Jeweils ca. 15 SchülerInnen der Klassenstufe 10 beider Schulen treffen sich, um gemeinsam verschiedene Aspekte der deutschen Geschichte zu beleuchten, die gemeinsame Vergangenheit lebendig zu halten und zu bewahren.
Ursprünglich wurde der Austausch eingeführt, um Kontakte zwischen Schulen im ehemaligen östlichen und westlichen Teil Deutschlands zu knüpfen und gegebenenfalls auch Vorurteile abzubauen. Obwohl die SchülerInnen inzwischen alle nach der „Wende“ geboren wurden und sich nicht mehr bewusst sind, dass sie aus Teilen Deutschlands kommen, die einmal verschiedene Staaten waren, gibt es in ihrem jeweiligen Alltag Dinge zu entdecken, die auf genau diese geschichtliche Tatsache zurückgeführt werden können. Die SchülerInnen dafür zu sensibilisieren, dass sich die Vergangenheit auch heute noch auf ihr konkretes Lebensumfeld auswirkt, ist ein Ziel dieses Austausches; denn nur wer seine Vergangenheit kennt, kann seine Gegenwart verstehen.
Der „DD“-Austausch bietet neben einem interessanten Rückblick in die Geschichte des eigenen Landes ein jährlich wechselndes und abwechslungsreiches Programm. Die Vielfalt der bereits angebotenen Themen zeigt sich in der folgenden Übersicht: Damit ist das Robert-Bosch-Gymnasium eine der wenigen Schulen in Deutschland die neben den fremdsprachlichen Austauschen auch mit einem deutsch-deutschen- Austausch aufwarten kann.
2000: Die Mauer in den Köpfen
2001: Ausländer – Inländer – Deutschländer
2002: Religion – Opium für das Volk?
2003: Mauerbau – Mauerfall – Mauerreste
2004: Deutsche Wertarbeit
2005: arbeiten in Deutschland
2006 grenzenlos?
2007 Diktatorische Regime in Deutschland
2008 Die Macht der Medien – Schlagzeilen deutscher Geschichte
2009: 60 20 10
Freiheit Einheit Zusammenarbeit
2010: Die „Schicksalszahl“ der Deutschen oder Die Zahl 9 in der deutschen Geschichte
2011: „Dampfen, Brodeln, Sieden“ – deutsch-deutsche Industriegeschichten
2012: „Schaffen, sparen, Planerfüllung – Wie wir wurden, was wir sind.“
2013: „Sport frei …?“ – Wettkampf der Systeme.
2014: „60 000 Lichter für die Freiheit“
2015: „RAF – ist für die Freiheit alles erlaubt?“
2016: „55 Jahre Mauerbau“
2017: „ Feinde in Europa → Freunde in Europa “
2018: „Der Diktatur auf der Spur“
Genauso vielfältig wie die angebotenen Themen, sah in den zurückliegenden Jahren auch das Programm aus. Je nach Themenstellung besuchten die SchülerInnen verschiedene authentische Orte, wie beispielsweise die Nicolai-Kirche in Leipzig, die Bunkeranlagen der Maginot-Linie, das zeitgeschichtliche Forum in Leipzig, das Haus der Geschichte Baden-Württemberg, das KZ Buchenwald, Berlin, das Europaparlament in Straßburg, den Gerichtssaal der RAF-Prozesse in Stammheim und sehr vieles mehr.
Auch bekannte Zeitzeugen konnten für ein Interview gewonnen werden. So berichtete uns etwa Klaus Pflieger, ehemaliger Generalstaatsanwalt, von seinen Eindrücke während der RAF-Prozesse in Stammheim, oder Rainer Wieland, Vizepräsident des Europaparlaments, gab uns bei einem Besuch im Europaparlament in Straßburg Einblicke in die Aufgaben eines Europaparlamentsabgeordneten.
Im kommenden Schuljahr erwartet die SchülerInnen unter dem Thema „Der Diktatur auf der Spur“ wieder ein ganz besonderer Austausch. U.a. sind verschiedene Programmpunkte in Nürnberg, so z. B. eine Führung über das Reichsparteitagsgelände, Treffen mit Zeitzeugen aus der Zeit des 3. Reiches und der DDR u.v.m. geplant.
Wie bei vielen Austauschen, so zeigt sich auch bei diesem besonders deutlich, dass Lernen eben nicht nur auf die Schule beschränkt ist, sondern vor allem durch die persönliche Auseinandersetzung und das persönliche Erleben tiefe Spuren hinterlässt. Bei der gemeinsamen inhaltlichen Auseinandersetzung lernen die SchülerInnen nicht nur die Geschichte ihres Landes, sondern auch sich gegenseitig besser kennen. So sind schon viele Freundschaften entstanden und einige Austauschpartner pflegen noch jahrelang freundschaftliche Beziehungen.
Obwohl inzwischen viele Vorurteile schon alleine durch die lange Zeit seit der Wiedervereinigung verschwunden sind, ist es nach wie vor wichtig, die deutsche Geschichte und damit die eigene Vergangenheit zu kennen; denn ein Sprichwort nach Laotse besagt: „nur wer sich selbst kennt, ist weise“. Damit hoffen und plädieren wir auf die noch jahrelange Fortführung des „DD“-Austausches und weiterhin großes Interesse daran. Wir blicken schon gespannt und voller Vorfreude auf den kommenden DD-Austausch 19.