“Endstation?” – Ein Theaterabend in der Jahnhalle

Gerlingen, Jahnhalle, 16.02., es ist kurz vor sieben Uhr abends. Die Halle ist abgedunkelt, in der Mitte auf einem Podest ist ein Bahnwagen nachgebildet mit den typischen Vierersitzgruppen. Die Publikumsreihen füllen sich schnell. Dann geht es los: das rüttelnde Geräusch einer Stadtbahn auf den Gleisen wird eingespielt, die Bahn fährt an, dann der erste Halt – ein Fahrgast steigt ein.

Und so geht es weiter, bis nacheinander sieben Personen im Wagen sitzen, so unterschiedlich wie das Leben, für diese eine Fahrt scheinbar zufällig auf ein paar Quadratmetern zusammengewürfelt, manche dicht nebeneinander, manche auf Abstand sitzend. Eine ganz normale Bahnfahrt? Fast. Selbstverständlich passiert das Unvermeidliche: Der Wagen bleibt in einem Tunnel stecken, Panik bricht aus und aus beliebigen Flüchtigkeitsbegegnungen der sieben werden unausweichliche Konfrontationen – mit dem Anderen und einem selbst  —–

Was wie die Versuchsanordnung eines sozialpsychologischen Experiments klingt, ist äußerer Rahmen des Theaterstückes “Endstation?”, das die Schülerinnen und Schüler des Kurses Literatur und Theater der K2 unter Anleitung ihrer Lehrerin Tatjana Vilz-Beck geschrieben und entwickelt haben. 

Natürlich sind die Charaktere klischeehaft zu Karikaturen überzeichnet: Da ist die Aluhut bastelnde und Globuli verteilende “zertifizierte Medizinerin”, die ihren Widerpart im studierten Pharmazeuten und Apotheker findet. Dazu kommen eine Frau mit Maske, die alles erstmal desinfiziert; ein Workaholic, der gleich auf zwei Mobilgeräten parallel arbeitet und dafür “Ruhe!” braucht; eine kiffende Party-Studentin; ein Sohn-von-Beruf, der nur deshalb genervt die Bahn nehmen muss, weil er seinen “Ferrari gegen die Wand gesetzt” hat und sich demonstrativ hinter seine Sonnenbrille und ins Schweigen flüchtet – ganz im Gegensatz zur kontaktfreudigen Plaudertasche, die im Minutentakt den Sitzplatz wechselt und sich jedem gleich mit Vornamen vorstellt. “Jeder wollte eine Figur entwerfen, die ganz anders als das eigene Ich ist”, erklärt Tatjana Vilz-Beck hinterher den Ansatz.

Und das klappt erstaunlich glaubwürdig. Die Lust am Rollen-Spielen ist den Akteuren abzuspüren. Es ist ein munteres Hin und Her aus teils absurden Dialogen im Zusammenprall der Charaktere, aus Platz- und Gesprächspartnerwechseln. Auf der Fahrt werden sämtliche Personen- und Sitzkonstellationen durchgetestet, man arbeitet sich aneinander ab und die jeweiligen Eigenheiten kommen hervor. Eigene Positionen werden hinterfragt und neue ausprobiert: (fast) jeder trägt im Laufe der Fahrt einmal einen Aluhut. Jede Figur sinniert in einem längeren Monolog über ihre Situation – markant inszeniert durch einen Lichtspot, während die Mitfahrenden im Dunkel abtauchen. So ergibt sich ein witziger, von überraschenden Wendungen geprägter, mit einfachen, sehr effektiven Mitteln (wieder einmal super: das Technik-Team im Hintergrund, das Sound und Licht steuert) inszenierter Abend für das Publikum, das sich mit begeistertem Applaus bedankt. 

Und natürlich – es ist ja auch Schule – geht es am Ende gut: die Bahn verlässt den Tunnel wieder, alle erreichen die titelgebende “Endstation” und steigen verändert und um neue Kontakte bereichert aus. Auf diese Weise ist  schließlich im Verlauf des “Experiments” aus Zufall Schicksal und aus der End- irgendwie zugleich eine Anfangsstation geworden.

Die Fahrt beginnt
Sieben Fremde in einem Wagen
Während des Stillstands im Tunnel werden Aluhüte gebastelt
Großer Applaus für die Schauspieler...
... und ihre LehrerinTatjana Vilz-Beck

“Endstation” – das Stück zum Durchklicken